Warum gemütliche Ausritte deinem Pferd schaden können
- Julia Thaidigsmann
- 5. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Sept.

Viele Reiter sagen Sätze wie: „Wir müssen gar nicht trainieren, wir gehen nur gemütlich am langen Zügel ins Gelände.“ oder „Mein Pferd muss nichts mehr leisten, wir wollen einfach nur Spaß haben.“
Was gut gemeint ist, kann leider fatale Folgen haben. Genau dieses „nur entspannt ins Gelände gehen“ kann deinem Pferd langfristig schaden – und zwar ohne, dass du es sofort merkst.
Pferde sind anatomisch nicht dafür gemacht, uns zu tragen
Das klingt vielleicht überraschend, aber es ist so: Ein Pferderücken ist von Natur aus nicht dafür geschaffen, dauerhaft ein Reitergewicht zu tragen. Damit dein Pferd dich gesund und ohne Schmerzen tragen kann, braucht es gezielt aufgebaute Muskulatur – vor allem im Rücken und Bauch.
Ohne Training wie es uns gesund tragen kann, sinkt der Rücken mit der Zeit ein, die Wirbelsäule wird belastet und es können bleibende Schäden entstehen. Deshalb ist es unsere Aufgabe, das Pferd muskulär in die Lage zu versetzen, uns zu tragen.
Die natürliche Schiefe des Pferdes
Zu den nötigen Muskeln kommt noch die natürliche Schiefe der Pferde dazu.
Das bedeutet:
Eine Seite des Körpers ist kräftiger und beweglicher
Die andere Seite ist schwächer und weniger dehnbar
Wenn wir ein Pferd reiten wollen, müssen wir ihm beibringen, sich geradezurichten. Nur so kann es sein Gewicht gleichmäßig tragen, die Muskulatur auf beiden Seiten ausgewogen entwickeln und langfristig gesund bleiben.
Und genau hier liegt das Problem: Nur im Gelände, im Schritt, am langen Zügel passiert genau das nicht. Das Pferd bleibt in seiner natürlichen Schiefe, baut Muskeln ungleichmäßig auf und belastet seinen Rücken einseitig. Auf Dauer kann das zu Verspannungen, Abnutzungen und sogar chronischen Schäden führen.
Gezieltes Training – sei es auf dem Platz, in der Halle oder bewusst eingebaut im Gelände – ist daher unverzichtbar, wenn du möchtest, dass dein Pferd dich lange gesund tragen kann.
Der Rucksack-Vergleich
Stell dir vor, du müsstest jeden Tag einen schweren Rucksack tragen:
Im besten Fall passt er perfekt zu deinem Rücken. Er ist gut gepackt, stabil und wackelt nicht bei jedem Schritt.
Im schlimmsten Fall sitzt er schlecht, ist ungleichmäßig gefüllt und zieht dich bei jedem Schritt aus dem Gleichgewicht.
Genauso geht es deinem Pferd, wenn wir es unvorbereitet und ohne gute Körperspannung (beim Pferd und beim Reiter) reiten. Passt der Sattel nicht, sitzt du unausbalanciert, fehlen deinem Pferd die richtigen Muskeln und wird nicht daran gearbeitet das Pferd geradezurichten, kann das auf Dauer sogar große Probleme verursachen.
Wann „nur ins Gelände gehen“ okay sein kann
Natürlich heißt das nicht, dass entspannte Ausritte grundsätzlich schlecht sind. Unter bestimmten Bedingungen kann es sogar sinnvoll sein:
Der Sattel passt wirklich gut
Du sitzt ausbalanciert und störst dein Pferd nicht
Du bist nicht zu schwer für dein Pferd
Es ist nicht das einzige Training sondern nur ab und zu
Das Gelände bietet Abwechslung – z. B. verschiedene Böden, leichte Anstiege oder enge Wege, die die Muskulatur anregen
Wenn diese Faktoren stimmen und du im Gelände noch ein paar Trainingsimpulse setzt, die ich dir gleich beschreibe, kann ein Schrittausritt sogar helfen, Muskeln aufzubauen.
Training geht auch im Gelände
Ich persönlich steige unterwegs oft ab und gehe ein Stück neben meinem Pferd her – so bekomme ich selbst Bewegung und entlaste den Pferderücken. Aber auch im Sattel kannst du gezielt trainieren:
Reite dein Pferd im Gelände auch immer wieder an die Hilfen (also nicht immer am langen Zügel mit hängendem Rücke ohne Spannung reiten)
dann kannst du Volten reiten
Baue Seitengänge ein
Reite Übergänge zwischen Schritt, Trab und Halt oder auch mal ein Rückwärts
Nutze kleine Anstiege, um die Hinterhand zu kräftigen
Fast alles, was du auf dem Reitplatz reiten kannst, geht auch draußen – manchmal sogar besser, weil Pferde im Gelände oft motivierter und fleißiger laufen.
Warum wir Schmerzen oft zu spät bemerken
Pferde sind Meister darin, Schmerzen zu verbergen. In der Natur würde jedes Anzeichen von Schwäche sie zu einem leichten Opfer machen – deshalb zeigen sie Probleme erst sehr spät. Wenn dein Pferd lahmt oder deutlich ausweicht, ist es oft schon lange vorher in Schieflage geraten.
Bodenarbeit als Schlüssel
Für "Freizeitreiter" die vorwiegend ins Gelände reiten und keinen großen Spaß an der "Klassischen Dressur" haben, ist Bodenarbeit eine der besten Möglichkeiten, die nötige Muskulatur aufzubauen. Als Nebeneffekt stärkt es auch das gegenseitige Vertrauen und macht dein Pferd mutiger, aufmerksamer und bringt es ins Denken. Außerdem kannst du viele Übungen ganz einfach in deinen Alltag integrieren.
Übungsidee:
Beim nächsten Ausritt:
Steig in einer Schrittphase ab und führe dein Pferd ein Stück.
Führe von beiden Seiten – das trainiert Koordination und Vertrauen.
Variiere das Tempo: langsamer, schneller, anhalten, rückwärts gehen.
Achte darauf, dass dein Pferd bei dir bleibt und auf deine Signale hört.
Wenn ihr bereit seid: bau auch mal kurze Trabstrecken ein.
Diese kleinen Impulse stärken nicht nur die Muskulatur, sondern auch eure Verbindung.
Mein Fazit
Es ist völlig okay, wenn du mit deinem Pferd keine sportlichen Ambitionen hast. Ich kann den „großen Sport“ oft selbst nicht nachvollziehen. Aber: Wenn wir uns ein Pferd an unsere Seite holen, übernehmen wir auch die Verantwortung, es gesund zu erhalten.
Dazu gehört, dem Pferd die Muskulatur zu geben, die es braucht, um uns tragen zu können – ganz egal, ob wir Dressur reiten, springen oder „nur“ ins Gelände gehen.
Wenn du lernen möchtest, wie du dein Pferd gezielt und schonend trainierst, damit es dich lange gesund tragen kann, melde dich gerne bei mir. Ich unterstütze dich und dein Pferd auf eurem Weg.
Und denke immer daran, auch wenn mal was nicht gleich funktioniert, bleibe immer geduldig mit dir und deinem Pferd.
Ich freue mich auf dich und dein Pferd.
Herzliche Grüße
Julia







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